Die ALNUS-Flusstour führte uns zu einem echten Wildfluss

Unsere Tour begann ganz unspektakulär am Finowkanal. Wir wollten herausfinden was eigentlich los ist mit den Flüssen? Warum wird soviel gebaut, obwohl so wenig Schiffe auf dem Oder-Havel-Kanal fahren? Warum soll die Oder ausgebaut werden, obwohl dort noch weniger Schiffe fahren. Warum werden die kleinen Flüsse nicht renaturiert, obwohl die Gewässerentwicklungspläne schon vor einigen Jahren geschrieben worden sind? Wir wollten einerseits eine verantwortliche Behörde, das Wasser- und Schifffahrtsamt Eberswalde, fragen und uns aber auch bei den Praktikern vor Ort informieren. In Deutschland wie in Polen, weil das Einzugsgebiet der Oder zu 88% in Polen liegt.

Oder bei Hohenwutzen

Oder bei Hohenwutzen

Das Wasser- und Schifffahrtsamt Eberswalde (WSA) hat uns erklärt, dass seine Arbeit an der Oder von internationalen Verträgen bestimmt wird. Der letzte Vertrag wurde 2015 abgeschlossen und nennt sich »Abkommen über die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet«. Ziel des Abkommens ist es, stabile Fahrwasserverhältnisse, insbesondere für den Eisbrechereinsatz, herzustellen und die Fahrt von großen Küstenmoterschiffen zwischen dem Hafen Schwedt und der Ostsee zu ermöglichen. Das eigentliche Problem stellen Sand-Ablagerung in der Oder dar, quasi Unterwasser-Dünen von bis zu 2 m Höhe, die seit etwa 10 Jahren verstärkt auftreten. Das WSA macht hierfür die marode Infrastruktur verantwortlich. Artur Furdyna, ein polnischer Fisch-Ökologe, den wir anschließend in Polen trafen, erklärte uns, dass die verstärkten Sand-Ablagerungen ein Ergebnis der Begradigung und Entwässerungen im Einzugsgebiet sind. Durch die erhöhte Fließgeschwindigkeit wird mehr Sand erodiert und in die Oder eingetragen. Seit 10 Jahren werden in Polen massiv Flussregulierungen im Oder-Einzugsgebiet durchgeführt. Außerdem verstärken diese durch den beschleunigen Wasserabfluss die Hochwasserwelle auf der Oder und führen gleichzeitig durch die Zerstörung der natürlichen Wasser-Retention in Feuchtgebieten zu verstärkten Niedrigwassern im Sommer. Im Sommer liegt der Schiffsverkehr auf der Oder meist wegen zu wenig Wasser lahm. Das WSA und die polnischen Behörden erkennen diesen Zusammenhang nicht. Sie möchten stattdessen in den Fluss investieren. Geld ist auf beiden Seiten genügend da, nur die Rechtfertigungen bleiben etwas gestelzt. Dem WSA geht es um den Eisbrechereinsatz, weil Eisverkeilungen zu Winter-Hochwassern führen können. Herr Furdyna erwähnt, dass man Eisverkeilungen viel preisgünstiger auch mit kleinen Dynamit-Ladungen, per Drohne abgeworfen, auflösen kann. Außerdem gibt es Einbrecher mit geringem Tiefgang, die mit den bisherigen Fahrwasserverhältnissen zurecht kommen. Polen hat sich allerdings einige neue Eisbrecher geleistet, die besonders großen Tiefgang besitzen. Den polnischen Behörden geht es unmissverständlich um die Ausbau der Oder zu einer internationalen Wasserstraße. Der Vertrag mit Deutschland geht der jetzigen Regierung nicht weit genug, während Deutschland Schwierigkeiten haben wird die bisher geplanten Investitionen im Einklang mit dem Naturschutz umzusetzen.

Abschnitt der renaturierten Welse

Abschnitt der renaturierten Welse

Unsere Reise ging vom WSA weiter zu einem Praktiker in der Wasserwirtschaft. Wir trafen uns mit Karsten Stornowski, dem ehem. Chef des Wasser- und Bodenverbandes Welse. Diese Verbände sind für die Unterhaltung der kleinen Flüsse zuständig und haben den Auftrag im Sinne der Landwirtschaft einen schnellen Wasserabfluss zu gewährleisten. Herr Stornowski hat bereits in den 90er Jahren verstanden, den Spielraum der Verbandsarbeit voll auszuschöpfen und hat an Stellen wo keine Landwirte betroffen waren, die Welse wieder renaturiert. Das geschah lange vor der Wasserrahmenrichtlinie und aus ganz persönlicher Motivation aus Liebe zum Fluss. Herr Stornowskis Traum ist, dass die Welse komplett durchgängig wird und aus der Oder Lachse und Meerforellen in den Fluss aufsteigen um dort zu laichen, so wie es aus der Literatur bekannt ist. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, denn im Unterlauf durchfließt sie ein landwirtschaftlich intensiv genutztes Gebiet und sie mündet unglücklicherweise in den Schwedter Hafen, wo das Wasser besonders schmutzig ist. Aber hierfür hat Herr Stornowski ein Lösung parat: die Aktivierung eines zweiten Abflussarmes, der nördlich des Hafens einmündet. Es muss noch viel Überzeugungsarbeit geleitet werden.

Magische Erscheinung

Magische Erscheinung

Was in Deutschland ein Idealbild ist, wofür viel Geld ausgegeben wird und was wir trotzdem vielleicht nie wieder erreichen, gibt es 50 km weiter in Polen noch: Flüsse mit 1 m großen aufsteigenden Meerforellen. Leider wird in Polen genauso viel Geld ausgegeben um solche natürlichen Flüsse zu zerstören und in ein Idealbild zu verwandeln, dass bei uns in den 70er Jahren vorherrschte: Kanalisierte Flüsse in steilen Steinbetten, die Feuchtgebiete entwässern und schmutziges eutrophiertes Wasser schnell abführen. Artur Furdyna hat ähnlich wie Kasten Stornowski selbst die Sache in die Hand genommen und einen Verein gegründet: Die Freunde der Flüsse Ina und Gowienica. Die Gowienica ist ein wunderschöner Fluss, der sich in großen Schleifen durch den Wald windet, in dem große Findlinge und viele umgefallene Bäume liegen. Eine kleine Population von 200 Meerforellen laichen hier jährlich. Wir haben wegen dem hohen Wasserstand leider keine beobachten können. Die richtige Laichzeit beginnt erst in 2 Wochen. 24 h/Tag müssen die Vereinsmitglieder den Fluss überwachen, um Wilderer, die u.a. mit Hochspannung fischen, zu stellen. An einer Brücke, über die eine Stromleitung führt seien bereits 6 Menschen bei dem Versuch ums Leben gekommen, die Stromleitung ins Wasser zu führen. Dabei stirbt alles was sich in der Umgebung befindet. So groß ist das Verlangen die Meerforellen zu fischen und so schwierig ist aber auch die finanzielle Situation der Flussanwohner! Das Fischen mit natürlichen Hilfsmitteln ist dagegen sehr zeitaufwendig und braucht Erfahrung.

Elfen...

Elfen…

Die Wanderung entlang der Gowienica hat uns gezeigt wie schön ein Fluss und seine lebendige Aue sein kann. Skurrile Baumformen, kleine Quelle an den angeschnittenen Hängen, kühle frische Luft, sehr viel Totholz im Fluss, zahlreiche Tiere, Pflanzen und Pilze in der Flussaue. Solche Flüsse können große Regenmengen aufnehmen, Sand wird am Flussufer abgelagert und das Wasser kann sich durch die Vielfalt an Strukturen selbst reinigen. In einem gesunden Fluss ist das Wasser immer klar, auch wenn es stark geregnet hat, erklärt Herr Furdyna. Die Gowienica ist auch nur abschnittsweise ein gesunder Fluss. Auch nur weil Menschen sich dafür persönlich einsetzen. Die Behörden haben andere Pläne. Wir haben uns für die Führung bedankt und Herr Furdyna nach Eberswalde eingeladen, um ihm unsere Flüsse zu zeigen!

Hohlen, in denen man sich verstecken kann

Hohlen, in denen man sich verstecken kann

der Fluss ist überwiegend beschattet

der Fluss ist überwiegend beschattet

viel Totholz

viel Totholz

Extensiv genutzter Wald entlang der Gowienica

Extensiv genutzter Wald entlang der Gowienica

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